164
Iv. Der Protestantismus in Westeuropa.
Erden zu führen, seine Herrschaft aufzurichten. Laben die deutschen Lutheraner ihre Heldenhaftigkeit im Dulden bewährt, so zeigten sie die Calvinisten im wandeln für das ihnen vorschwebende Ziel. Sie bedurften für den Ausbau ihrer Kirche keiner Anlehnung an weltliche Gewalten. Aus der Gemeinde heraus schufen sie sich selbst ihre Kirche, der die weltliche Gewalt sich zu unterwerfen hatte. In der kleinen Stadtrepublik Genf gelang das; in den großen westeuropäischen Staaten dagegen hat dieses Streben zu schweren Kämpfen geführt.
2. Die Äugenottenkriege in Frankreich.
Von Genf aus fanden die Anschauungen Calvins bald Eingang in Frankreich. Es entstanden an zahlreichen Orten Gemeinden, die sich zu einer Kirche verbanden. Ihre gemeinsamen Angelegenheiten regelten sie in einer aus gewählten Vertretern bestehenden Synode. Volkstümlich sind die reformierten Gedanken in Frankreich zwar nie gewesen; die Anhänger der neuen Lehre entstammten vielmehr vorwiegend dem humanistisch gebildeten Bürgerstande und dem Adel. Man nannte sie „Hugenotten", d. H. wohl Eidgenossen, Anhänger der Schweizer Religion.
Auf Äeinrich Ii.1 folgten hintereinander drei seiner Söhne; für Franz Ii., der mit Maria Stuart von Schottland vermählt war, führten deren Oheime, die lothringischen Lerzöge von Guise, die Regierung. Sie waren Anhänger der alten Kirche und suchten jede religiöse Neuerung zu unterdrücken. Ihnen gegenüber stand das den Valois verwandte Äaus Bourbon, dem das kleine Pyrenäenkönigreich Navarra gehörte, und dessen Glieder sich teils dem Protestantismus angeschlossen hatten, teils ihm zugeneigt waren. Der bedeutendste Führer der Hugenotten war der Admiral Coligny. Die einflußreiche Königin-Mutter, Katharina von Medici, verstand es, immer eine der beiden Parteien gegen die andere auszuspielen, ohne von einer abhängig zu werden. Am zunächst das Übergewicht der Guise zurückzudrängen, hielt sie sich zu Coligny und den Seinen. Auch gab es unter den Altgläubigen eine starke Richtung, die es nicht für angängig hielt, so zahlreiche Angehörige der Nation um ihres Glaubens
Franz I.
I
Letnrich Ii., vermählt mit Katharina von Medici_____________
_ Franz Ii. . Karl Ix. Letnrich Iii. Margarete,
Gem. Maria Stuart vermählt 1573 mit
Letnrich von Navarra, einem Enkel einer Schwester Franz' I.
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Extrahierte Ortsnamen: Westeuropa Stadtrepublik_Genf Frankreich Frankreich Frankreich Navarra Navarra
Iv. Der Protestantismus in Westeuropa.
165
willen an Leib und Leben zu strafen oder in die Verbannung zu schicken. Ihre Anhänger waren bereit, die Glaubenseinheit hinter dem Streben der Nation nach politischer Macht zurücktreten zu lassen. Daher konnten die Herzöge von Guise ihre ausschließliche Vorherrschaft nicht lange behaupten. Zu einer Unterdrückung ihrer Partei reichte aber die Macht der Gegner auch nicht aus, und so kam es zu einem Bürgerkriege, der Frankreich dreißig Jahre lang verheerte.
Diese Kämpfe blieben lange ohne Entscheidung; abwechselnd wurde den Hugenotten Duldung zugesichert und wieder entzogen, je nach der Stellung, welche die Königin Katharina eben einzunehmen für zweckmäßig fand. Dabei kam ihnen zustatten, daß die altgläubige Partei den Beistand Philipps Ii. von Spanien suchte und auch zeitweise erhielt. Philipp galt aber weiten Kreisen als der Nationalfeind; der Plan Colignys, die gesamten Kräfte Frankreichs zum Kampfe gegen die drohende spanische Übermacht zusammenzufassen, fand selbst unter den katholischen Großen viele Freunde. So schloß sich Katharina wieder an die Hugenotten an. Zur Festigung des Bündnisses sollte der junge König Karl Ix. mit einer Prinzessin aus dem Hause Bourbon und Heinrich von Navarra mit einer Tochter Katharinas vermählt werden. Coligny schien jetzt der Leiter der ganzen französischen Politik zu werden und beherrschte durch die Macht seiner starken Persönlichkeit den König völlig. Gerade das aber wollte die Königin vermeiden, und sie näherte sich daher im Jahre 1572 wiederum der katholischen Partei. Ein Mordanschlag auf den Admiral gelang nur unvollkommen; um der Rache seiner Partei vorzubeugen, entschlossen sich die Königin und ihr Anhang bei den Hochzeitsfeierlichkeiten am 24. August 1572 zu dem Überfall, der unter dem Namen „Pariser Bluthochzeit" berüchtigt geworden ist. Coligny war das erste Opfer; Tausende von Hugenotten fanden in Paris und in den Provinzen den Tod, andere wurden zur Rückkehr zum Katholizismus gezwungen, unter ihnen Heinrich von Navarra.
Doch führten auch diese Greueltaten nicht zur vollständigen Anterdrückung des französischen Protestantismus. Der Kampf ging weiter, bis Heinrich von Navarra, der sich nach der Bartholomäusnacht dem Protestantismus wieder zugewandt hatte, nach dem Aussterben der Valois als Heinrich Iv. die französische Krone übernahm. Am die streng katholische Hauptstadt zu gewinnen, mußte er allerdings sein Bekenntnis zum Opfer bringen. Dafür aber gab er seinen Untertanen den Frieden zurück. Das Zeitalter der Glaubenskriege war nunmehr für Frankreich zu Ende. Im Edikt von Nantes gewährte er 1598 seinen früheren Glaubensgenossen Freiheit für Bekenntnis und Gottesdienst. Als Bürgschaft gegen eine etwaige spätere
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Extrahierte Ortsnamen: Westeuropa Frankreich Spanien Frankreichs Katharinas Paris Frankreich Nantes
166
Iv. Der Protestantismus in Westeuropa.
katholische Reaktion räumte er ihnen Sicherheitsplähe ein; der wichtigste davon war die starke Festung La Rochelle. In diesen Städten, die ihnen vermöge ihrer Lage als Waffen- und Sammelplätze dienen konnten, hielten die Hugenotten fortan eigene Garnisonen.
Ä einrich Iv. ist der volkstümlichste französische König gewesen.
Er hat durch die Wiederherstellung des inneren Friedens die not-
wendige Grundlage für das wirtschaftliche Gedeihen des Landes gelegt. Im Süden des Reiches nannte man ihn »notre von roi Henri«; von ihm wurde das Wort berichtet: „Ich will, daß jeder Franzose sonntags sein Äuhn im Topfe habe." Vor allem aber gab er Frankreich seine innere Stärke wieder, indem er die gesamten Kräfte der Nation gegen die Habsburgische Monarchie zusammenfaßte. Als er sich ihrem Vordringen in Deutschland entgegenwerfen wollte, traf ihn der Dolch eines katholischen Schwärmers (1610).
3. Die Trennung Englands von der römischen Kirche.
Leinrich Viii. von England war als ein treuer Sohn der
römischen Kirche aufgewachsen; gegen Luther trat er selbst als „Ver-teibiger des Glaubens" (defensor fidei) auf. Seine Ergebenheit gegen Rom schlug jeboch in dem Augenblick um, als der Papst sich weigerte, die von ihm aus fchnöber Selbstsucht begehrte Ehescheibung zu genehmigen. Da erklärte der König durch die Supremats-Akte sich selbst zum Oberhaupte der Englischen Kirche und brach alle Beziehungen zum Papst ab. Nennenswerten Wiberstanb fanb die Trennung von Rom in England nicht. In der Kirchenlehre jeboch wollte der König den katholischen Stanbpunkt aufs strengste gewahrt wissen; gegen Personen, die lutherische und reformierte Schriften verbreiteten, sollte mit der ganzen Schärfe der Inquisition verfahren werben.
Äeinrich Viii. zeigte die Eigenschaften des gewalttätigen und skrupellosen Renaissancemenschen. Auch in der Politik scheute er, wo es ein Ziel zu erreichen galt, vor keinem Mittel zurück. Wer ihm babei Hinb erlich war, würde rücksichtslos aus dem Wege geräumt. Von den sechs Frauen Leinrichs enbeten zwei auf dem Schafott. Der nichtigste Vorwanb genügte ihm, sie zu beseitigen, wenn er ihrer überbrüssig geworben war. Bezeichnenb ist es, daß sich in England gar kein Wiberstanb bagegen regte. Das Parlament hatte unter ihm allerbings wenig zu fcebeuten: umfangreiche Einziehungen von Kirchen--gütem zugunsten der Krone machten ihn von Steuerbewilligungen unabhängig. Er starb im Jahre 1547 und hinterließ zwei Töchter, Maria und Elisabeth, aus erster und zweiter Ehe und einen Sohn, Ebuarb, aus der bristen.
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V. Die Gegenreformation.
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Eduard war beim Tode des Vaters noch minderjährig. Nun drangen teils von Schottland, wo Calvins Schüler John Knox in der strengen und kraftvollen Weise seines Meisters evangelische Gedanken verbreitete, teils auch vom Festland aus resormatorische Ideen in England ein. Lohe Geistliche, wie der Erzbischof Cranmer von Canterbury, bekannten sich dazu. Auch die Lords, welche die Regentschaft führten, wurden gewonnen; man fing an, Gottesdienst und Lehre nach Genfer Muster umzugestalten.
Aber schon 1553 starb der junge König, und ihm folgte seine Halbschwester Maria. Schon durch ihre Lerkunft an den Katholizismus gebunden, setzte sie ihre Ehre darein, die Herrschaft der alten Kirche wiederherzustellen. Der Politik Karls V. gelang es, sie zur Leirat mit seinem Sohne Philipp von Spanien zu bewegen. Dadurch wurde England vollends ins katholische Fahrwasser gezogen. Es traten nunmehr jene Verfolgungen der Protestanten ein, die der unglücklichen Königin den Beinamen „die Blutige" gebracht haben. Auch Erzbischof Cranmer mußte den Scheiterhaufen besteigen.
Erbin ihres Thrones war Elisabeth, die Tochter Anna Boleyns, um derentwillen Leinrich Viii. den Bruch mit Rom herbeigeführt hatte. Ihr Recht auf die Krone mußten also die Katholiken bestreiten, und schon dieser Umstand führte sie auf die Seite des Protestantismus. Unter ihrer Leitung wurde der Bau der Englischen Staatskirche vollendet. Es kam ein eigenartiges Zwittergebilde zustande: katholisch war die Verfassung, denn Bischöfe regelten unter der Oberleitung der Königin die kirchlichen Angelegenheiten; die Lehre aber war im Sinne Calvins aufgestellt. Daraus mußten sich notwendig Widersprüche und Kämpfe ergeben, denn gerade der Calvinismus konnte sich mit katholischen Kirchenordnungen nicht ab--finden. Vorläufig aber gab Elisabeth ihrem Lande innere Ruhe und wandte seine Kräfte dem wirtschaftlichen Wohlstände zu. England machte sich im Lande! von der deutschen Lanse unabhängig, die Vorrechte des Stahlhofes wurden aufgehoben. Und während Frankreich durch die Lugenottenkriege geschwächt wurde, konnte das Znselreich den Widerstand gegen die gefährlich um sich greifende spanische Weltmacht übernehmen.
V. Die Gegenreformation.
1. Innere Wiederbelebung des Katholizismus.
Dem Ansturm des Protestantismus hatte die römische Kirche zunächst keine inneren Kräfte entgegenzusehen. Um Widerstand leisten
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Extrahierte Ortsnamen: Schottland England England Rom England Frankreich
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Vi. Deutschlands Nachbarn im Mittelalter.
unter den letzten Karolingern und ihren ersten Nachfolgern aus dem Lause der Kapetinger den Anblick vollenbeter „Lehnsanarchie". Otto der Große mußte gelegentlich eingreifen, um den französischen König gegen seine Vasallen zu schützen. Fast nur die Isle be France, das Gebiet um die Hauptstadt herum, stanb dem König zur Verfügung. Noch unabhängiger würde der Normannenherzog Wilhelm der Eroberer, als er 1066 die englische Krone gewann. Als dann 1154 das Haus Plantagenet auf den englischen Thron kam, das den größten Teil des westlichen Frankreich ererbt und erheiratet hatte, ba brohfe dem Königreich die Gefahr völligen Zerfalls.
Der Neubegrünber der französischen Königsmacht ist Philipp I!. August (um 1200). Es gelang ihm, durch Einziehung besonbers solcher Lehen, die infolge der Kreuzzüge erlebigt waren, das Krongut stark zu vermehren, Städte und Geistlichkeit für das Königtum zu gewinnen und die englische Macht bebeutenb zurückzubrängen. Ja, Philipp konnte sogar in die deutschen Verhältnisse eingreifen und die Staufer im Kampfe gegen den mit England» verbünbeten Welfen Otto Iv. unterstützen. Von ba ab hat es die französische Krone verstand» en>, ihre Macht stets weiter auszubehnen; das Reich würde „zentralisiert". Wesentlich hat zur Stärkung der monarchischen Gewalt die Lebenszähigkeit der Dynastie beigetragen: durch mehr als drei Jahrhunderte folgte stets der Sohn auf den Vater, und so trat das Wahlrecht der Großen zugunsten der Erblichkeit der Krone in den Hintergrund. Es ergab sich für sie keine Gelegenheit, durch Aufstellung von Wahlbedingungen ihre Macht und Einkünfte auf Kosten des Reiches zu vermehren.
In England bestand nach der Besiedelung durch die Angelsachsen eine Reihe kleiner Königreiche, in denen die altgermanische Volksfreiheit nicht allzu stark eingeschränkt wurde. Erst zur Zeit Karls des Großen bildete sich ein angelsächsischer Gesamtstaat. In diesem konnte sich die Stellung der Gemeinfreien nicht mehr aufrechterhalten ; Kriegs- und Gerichtspflicht lasteten zu schwer auf ihnen. So ging Kriegführung, Gericht und Einfluß im Rate des Königs an Adlige, die Eorls und Thanes, über. Alfred der Große beseitigte um 900 die schlimmsten Folgen der überhand nehmenden Verknechtung und befreite das Land» vom Dänenjoche.
Im Jahre 1066 erhob Herzog Wilhelm von der Normanbie Ansprüche auf den englischen Thron, und es gelang ihm, sich an der Spitze eines französisch-normannischen Ritterheeres mit Unterstützung des Papstes zum Herrn des Königreichs zu machen. Der neue König bürgerte das Lehnswesen in England ein. Denn indem er die angelsächsischen Großen, die ihm entgegengetreten waren, als
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Iii. Die Anfänge des neueren Staates in Frankreich und England. 103
Mit den drei Söhnen Philipps Iv. war in Frankreich das Laus der Kapetinger ausgestorben; als nächste männliche Erben folgten die Valois. Ihnen gegenüber behauptete Eduard Iii. von England, als Sohn einer Tochter Philipps Iv. ein näheres Anrecht auf die französische Krone zu haben, und darüber entbrannte 1340 der „hundertjährige Krieg". Einen weiteren Grund zur Feindschaft gab den Engländern Frankreichs Bestreben, seinen Einfluß auf Flandern auszudehnen, dessen Städte dank ihrer blühenden Tuchindustrie die besten Abnehmer der englischen <2bolle waren. Auf diesen Handelsbeziehungen beruhte ein großer Teil des ^Wohlstandes der £ords, und somit lag die Bekämpfung des französischen Nebenbuhlers auch in ihrem Interesse. Der Krieg verlief günstig für England: die leichten Bogenschützen des Inselreiches zeigten sich den schwergerüsteten französischen Rittern und den sie unterstützenden Söldnerhaufen überlegen. Auch Geschütze, die nach den Worten des Chronisten „mit donnerähnlichem Getöse Eisenkugeln warfen", wurden schon von den Engländern verwendet und sollen zu ihrem Siege bei Creey 1346 nicht wenig beigetragen haben. Aber trotz der Überlegenheit der englischen Waffen, die sich noch in wiederholten Siegen kundtat, war das Königtum der Valois zu sehr gefestigt, als daß seinem Bestand ernstliche Gefahr hätte drohen können. Im Frieden (zu Bretigny) 1360 entsagte Eduard Iii. seinem vermeintlichen Rechte auf den französischen Thron und begnügte sich neben dem Besitze von Calais mit der Abtretung von Guyenne, Gascogne und Poitou, die ihm aber zum größten Teile schon nach 15 Jahren entrissen wurden.
Die kriegerischen Anstrengungen hatten in beiden Ländern auch die stärkste finanzielle Leistung verlangt. Sowohl das englische Parlament wie die französischen Stände kargten ihren Königen gegenüber nicht mit Steuerbewilligungen für die Zwecke des Krieges, benutzten diese Gelegenheit aber dazu, sich Rechte auszubedingen, die sie zu Teilhabern der Regierung machten. So durften die Könige nicht eigenmächtig Auflagen erheben; jedesmal war erst die Bewilligung der Stände erforderlich. £lnfc> auch über die Verwendung der aufgebrachten Gelder beanspruchten sie eine Aufsicht. Daneben versuchten sie ihre Macht auch dazu zu benutzen, den in ihren Reihen nicht vertretenen Bauernstand in größere Abhängigkeit und Hörigkeit zu bringen; ein Bestreben, das in beiden Ländern blutige, aber ergebnislose Aufstände der Landbevölkerung zur Folge hatte. Vergebens trat Richard Ii. in England für die Geknechteten ein: die Lords bewiesen ihre Macht auch gegen ihn, indem sie ihn zur Thronentsagung nötigten und Heinrich Iv. aus dem Lause Lancaster die Krone verschafften. Sein Sohn und Nachfolger Heinrich V.
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104 Iii. Die Anfänge des neueren Staates in Frankreich und England.
(Prinz Leinz bei Shakespeare) wußte dem Königtum nach innen wie nach außen eine glänzende Stellung zu erringen.
Seit etwa 1360 hatte eine Nebenlinie des Laufes Valois das Herzogtum Burgund inne, das bald noch durch einige umliegende Landschaften vermehrt wurde und eine ansehnliche Macht darstellte, besonders nachdem auch die reiche Grafschaft Flandern durch Erbschaft hinzugekommen war. Als es sich herausstellte, daß König Karl Vi. von Frankreich an unheilbarer Zerrüttung des Geistes litt, brachen Zwistigkeiten um die Regentschaft aus, die sich Jahrzehnte lang hinzogen; der burgundische Lerzog trat an die Spitze einiger Großen des Reiches, denen eine andere Partei unter Führung des königlichen Bruders, des Lerzogs von Orleans, widerstrebte. In dem offenen Bürgerkriege, der sich daraus entwickelte, trug die Partei der Orleans, die sogenannten „Armagnacs", den Sieg davon; sie ächtete den mächtigen Gegner als Reichsfeind.
Da schloß der Burgunder ein Bündnis mit Heinrich V. von England, der die Ansprüche auf den französischen Thron erneuerte und mit stattlicher Macht in Frankreich landete. Der glänzende Sieg von Azincourt 1415 öffnete ihm den Weg ins Innere des Landes. In Frankreich führte an Stelle des kranken Königs nunmehr der Dauphin die Regierung; in dieser höchsten Not, wo Paris schon in den Länden der Gegner war, versuchte er eine Aussöhnung mit dem Burgunderherzog. Bei der zu diesem Zweck veranstalteten Zusammenkunft auf der Brücke von Monterau kam es aber zwischen beiden Parteien zu gereizten Auseinandersetzungen, die sich schließlich zu Tätlichkeiten auswuchsen; dabei wurde der Lerzog von französischen Rittern erschlagen. Um des Vaters Tod zu rächen, schloß sich der Erbe von Burgund jetzt um so enger an die Engländer an. Selbst die Königin Jsabeau, die Mutter des Dauphins, trat auf die Seite des Feindes. Durch Leirat mit ihrer Tochter suchte jetzt Leinrich seine Ansprüche zu verstärken. Bis an die Loire war alles Land in seiner Land; die zu Paris versammelten Stände erklärten den Dauphin der Krone verlustig und den Engländer für den berechtigten Erben. Nachdem der blöde König und ebenso Leinrich V. 1422 kurz nacheinander gestorben waren, setzte man in Paris den noch im Säuglingsalter stehenden Leinrich Vi. auf den Thron. Der Dauphin, jetzt Karl Vii., konnte sich zu entschlossenem Widerstände nicht aufraffen, auch nicht, als 1428 die Engländer Orleans belagerten, um von hier aus in das südliche Frankreich vorzudringen. Jetzt aber führte die kriegerische Ieanne d'arc, jenes lothringische Lirten-mädchen, eine Wendung herbei. In ihr trat die ganze Verehrung und Lingebung des französischen Landvolks für das Königsgeschlecht,
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Iii. Die Ansänge des neueren Staates in Frankreich und England. 105
die „Religion des französischen Königtums" nach Rankes Ausdruck, sichtbar in die Erscheinung. Johanna verstand es, das Vaterlandsgefühl ihrer Landsleute neu zu beleben, während die Feinde von abergläubischer Furcht ergriffen wurden. Orleans wurde befreit, ja, es gelang, Karl Vii. zur Krönung nach Rheims zu führen. Bis vor Paris wollte er aber dem kühnen Mädchen nicht folgen. Als Führerin einer Freischar setzte sie den Kampf fort, siel dabei in die Lände der Feinde und erlitt als Lexe 1431 den Feuertod. Die Franzosen waren aber zu neuer Tatkraft erwacht; bald darauf trat der Lerzog von Burgund auf ihre Seite über. Der Krieg wurde mit wachsendem Erfolge fortgesetzt, bis 1453 nur noch Calais in den Länden der Engländer blieb.
Nach dem Frieden erwuchs dem König die Aufgabe, die Ordnung in dem durch die langen Kämpfe völlig zerrütteten Reiche herzustellen. Die brotlos gewordenen Söldner durchzogen als Räuberbanden das Land und bedrohten die öffentliche Sicherheit. Zu ihrer Bekämpfung wurde eine starke Exekutivgewalt erforderlich. Diese wurde in den 15 Ordonnanzkompagnien zu 600 Mann, der ersten stehenden Truppe Europas, dem König zur Verfügung gestellt. Zu ihrer Erhaltung wurde eine ständige, von der Bewilligung der Etats Generaux unabhängige Grund- und Kopfsteuer, die sogenannte Taille, erhoben. Damit trat die Bedeutung der Reichsstände zurück, Frankreich befand sich auf dem Wege zur absoluten Monarchie.
England hatte nach Beendigung der festländischen Kämpfe die schwere Krisis der Rosenkriege zu durchleben. Sie entstanden aus den Streitigkeiten, die sich unter den Großen des Landes erst über die Vormundschaft, dann über die Nachfolge des geistesschwachen Königs Leinrich Vi. erhoben. Besonders waren es die Läufer Lancaster und Bork, beides Nebenlinien des königlichen Stammes, die Ansprüche auf die Herrschaft machten. Dabei vertrat Lancaster mehr die Interessen des hohen Adels, während Bork sich auf die bürgerlichen Schichten in den Städten stützte. Den Abschluß dieser wechselvollen, meist aber für Bork siegreichen Kämpfe bildete die berüchtigte Regierung Richards Iii. Gegen ihn richtete sich eine Verschwörung unter Führung des Grafen Leinrich Tudor, der von mütterlicher Seite her dem Lause Lancaster angehörte. Richard erlag in der Schlacht bei Bosworth 1485, in der er fiel. Leinrich wußte seine Stellung noch durch Leimt mit einer Tochter des Lauses Bork zu befestigen und bestieg als erster Tudor den Thron.
Die Lasten der Rosenkriege an Gut und Blut hatten vor allem die hohen Adelsgeschlechter getragen, die teilweise ganz aufgerieben
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V. Das Kaisertum der Lohenstaufen.
dem deutschen Wesen angemessener Art vertieft und umgebildet, so besonders die Grals- und Artussage durch Wolfram von Eschenbach. 3um ersten Male lernte man auf deutschem Boden eine weltfreudige Laienbildung kennen. Eine glänzende Schaustellung dieser ritterlichen Kultur war das große Fest, das der Kaiser Pfingsten 1184 zur Feier der Schwertleite seiner ältesten Söhne in Mainz veranstaltete. Die Blüte des gesamten abendländischen Rittertums scharte sich hier uin den Herrscher. Der Gedanke des mittelalterlichen Kaisertums hat eine glänzendere Verkörperung nicht wieder gefunden.
Noch einen weiteren Machtzuwachs konnte Friedrich seinem Lause verschaffen. Es gelang ihm, seinem Sohn und Nachfolger Leinrich die Land der stzilischen Prinzessin Konstanze, der Erbtochter des Normannenreiches, zu sichern. Damit war dem Papsttum eine kräftige Stütze geraubt, deren es sich in entscheidenden Tagen gegen das Kaisertum hatte bedienen können. Aber diese Erwerbung hat auch neue Kämpfe mit sich gebracht, in denen sich das Staufer-geschlecht verblutet hat.
Als Friedrich so im Vollbesitz der Macht als erster Fürst der Christenheit dastand, kam die Kunde von der Eroberung Jerusalems durch Saladin. Es war Christen- und Kaiserpflicht, den Kampf gegen die Ungläubigen aufzunehmen. Wohlgerüstet und vorbereitet trat unter Friedrichs eigener Führung ein deutsches Ritterheer zu Lande die Kreuzfahrt an, während Franzosen und Engländer die Fahrt zu Schiffe zurücklegten. Die »liebe reise« des deutschen Leeres ging glücklich vonstatten, bis Kaiser Friedrich in den Fluten des Saleph seinen Tod fand. Mit dem Ende des Führers erlosch auch das Glück der deutschen Kreuzfahrer. Die Leilige Stadt konnte nicht wiedergewonnen werden. Doch der Mißerfolg vermochte Friedrichs Nachruhm nicht mehr zu trüben. Sein Tod in märchenhafter Ferne und im Dienste einer großen Sache umgab sein Laupt mit einem romantischen Schimmer. An ihn vor allem wurde gedacht, wenn in trüben Tagen unseres Volkes von alter deutscher Kaiserherrlichkeit die Rede war, wenn auch die Kyffhäusersage zunächst mit der Erinnerung an seinen Enkel Friedrich Ii. verbunden war und erst durch Rückerts bekanntes Gedicht auf ihn übertragen worden ist.
3. Innocenz Iii. und der deutsche Thron st reit.
Leinrich Vi. bewahrte die vom Vater ererbte Machtstellung. In Norddeutschland gewann Leinrich der Löwe wieder Anhang, der durch seine Verwandtschaft mit dem englischen Königshause noch verstärkt wurde. Da fiel König Richard Löwenherz auf der Rück-
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Vi. Deutschlands Nachbarn im Mittelalter.
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Friedrichs Ii. Sohn Konrad Iv. eilte sofort nach Italien, um dort die staufische Herrschaft aufrechtzuerhalten. Deutschland galt
jetzt eben als das Nebenland. Schon nach vier Jahren folgte er
jedoch dem Vater ins Grab. Sein Bruder Manfred wehrte die Angriffe der Gegner erfolgreich ab, bis der Papst in dem französischen Prinzen Karl von Anjou einen Verbündeten fand; ihn belehnte er an Stelle des staufischen „Schlangengezüchtes" mit Sizilien. Erst diesem überlegenen Gegner erlag Manfred. Auch Konradin, Friedrichs Ii. Enkel, vermochte die französische Herrschaft in Unteritalien
nicht zu erschüttern und fand bei dem Versuche, das Erbe seiner
Väter zurückzuerobern, den Untergang. Er starb 1268 auf dem Blutgerüst in Neapel.
So hatte das Papsttum sich von der staufischen Umklammerung befreit, aber auch die Zersplitterung Italiens gefördert. Da es selbst nicht stark genug war, einen nationalen Staat zu begründen, widersetzte es sich allen von anderer Seite ausgehenden Einigungsversuchen und wurde allmählich in die Gegensätze der italienischen Kleinstaaten hineingezogen. Während in Deutschland die Fürsten aus der Schwächung der Neichsgewalt den Vorteil zogen, entwickelten sich in Ober- und Mittelitalien die Städte zu selbständigen Mächten, zunächst unter der Führung ihrer Adelsgeschlechter, die einander als Guelfen und Ghibellinen bis zur Vernichtung befehdeten. Die Unterlegenen wanderten in die Verbannung, und mancher Bürger mochte mit Dante den kaiserlichen Retter aus diesem fortdauernden Bürgerkriege ersehnen. Wie im Altertum machte dann die Tyrannis den Kämpfen der Aristokraten vielfach ein Ende.
So hatten in den beiden Ländern, die sich der mittelalterlichen Weltherrschaft hatten rühmen dürfen, die Sondergewalten den Sieg davongetragen, und erst das Nationalbewußtsein der Völker des 19. Jahrhunderts hat in ihnen wieder eine starke Staatsgewalt aufgerichtet.
Vi. Deutschlands Nachbarn im Mittelalter.
Wenn Otto der Große die Kaiserkrone erhielt, so war das keine päpstliche Willkür, er war tatsächlich unter den abendländischen Fürsten der mächtigste. Zn Frankreich herrschten noch die Karolinger, aber sie konnten ihre Stellung gegenüber den großen Vasallen nur notdürftig behaupten. Die Äerzöge von der Normandie und der Bretagne, von Burgund und Aquitanien, die Grafen von der Champagne, von Anjou und Toulouse besaßen eine weitgehende Selbständigkeit. Allerdings war auch ihre Herrschaft ihren Lehnsbaronen gegenüber nicht fester begründet, und so gewährt Frankreich
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Konrad_Iv Konrad Manfred Karl_von_Anjou Karl Manfred Konradin Konradin Friedrichs Otto Anjou
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Italien Deutschland Sizilien Friedrichs Unteritalien Neapel Italiens Deutschland Mittelitalien Deutschlands Frankreich Bretagne Burgund Toulouse Frankreich